Si vis pacem para bellum
Die NBP als Hüterin der makroökonomischen Stabilität – prof. Adam GLAPIŃSKI
.Die alten Römer pflegten zu sagen: si vis pacem, para bellum – das heißt, wenn du Frieden willst, bereite Krieg vor. Dieses lateinische Sprichwort beschreibt jedoch nicht nur die Grundlehre der Kriegskunst, sondern auch den Grundsatz von dem sich die Narodowy Bank Polski bei ihren Anti-Krisen-Maßnahmen leiten lässt. Wir wissen nie genau, wann und in welcher Form die nächste Krise eintritt – deshalb bereiten wir uns ständig auf den nächsten wirtschaftlichen Kampf vor, indem wir uns um die soliden Fundamente der Wirtschaft und die starke Finanzposition der Zentralbank kümmern.
In den letzten 15 Jahren haben wir zwei sehr ernste globale Krisen erlebt: die Finanzkrise von 2007‑2012 und die COVID-19 Pandemiekrise, und in jüngster Zeit stehen wir auch vor den dramatischen sozioökonomischen Folgen der geopolitischen Krise, die durch die Aggression Russlands gegen die Ukraine ausgelöst wurde. Obwohl die Art dieser Krisen sehr unterschiedlich war, war die Zentralbank in jedem Fall die Hüterin der makroökonomischen Stabilität.
Die große Finanzkrise begann 2007 in den Vereinigten Staaten als Folge der übermäßigen Lockerung der Kreditvergabepolitik und der Verlagerung der Finanzierung des Immobiliensektors auf unregulierte oder zu locker regulierte Unternehmen, wodurch die Qualität der Kredite erheblich abnahm, während der Umfang der Finanzierung und die Hebelwirkung außer Kontrolle gerieten. Als diese Ungleichgewichte schließlich zur Krise führten, gefährdete ihr Ausbruch die Solvenz des Bankensystems, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern im Grunde überall in der zunehmend finanziell integrierten Welt.
Polen hat die globale Finanzkrise fast unbeschadet überstanden. In Polen war es nicht nötig, Banken mit Steuergeldern zu retten, wie es in Irland und Spanien geschehen ist. Wir hatten auch keine Probleme mit Fremdwährungskrediten in dem Ausmaß wie in Ungarn. Es gab weder einen Auszahlungsausfall für Einlagen aus dem Garantiefonds in Polen, wie in Island, noch Probleme mit Barabhebungen von Bankkonten, wie in Zypern. Schließlich gab es keine Flucht von ausländischem Kapital wie in Slowenien. Wir können also sagen, dass wir erfolgreich waren, wobei das damals eingeführte so genannte Vertrauenspaket eine wichtige Rolle spielte, in dessen Rahmen die Narodowy Bank Polski den Geschäftsbanken Liquidität in Zloty und – über Devisenswaps – auch in Fremdwährungen zur Verfügung stellte, die damals zur Sicherung offener Bilanzpositionen im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten benötigt wurde. Ziel des Vertrauenspakets war es, das effiziente Funktionieren des Interbankenmarktes wiederherzustellen, was wiederum die Stabilität des Finanzsystems unterstützte und den Geld- und Kreditkreislauf der polnischen Wirtschaft aufrechterhielt.
Fast ein Jahrzehnt nach diesen Ereignissen sind wir nun mit einer weiteren globalen Krise konfrontiert – dieses Mal verursacht durch eine Pandemie. Um den Zusammenbruch ganzer Wirtschaftszweige zu verhindern, mussten die Zentralbanken und Regierungen weltweit schnell und entschlossen reagieren, auch wenn der Handlungsspielraum nicht überall gleich groß war. Polen war in der Lage, schnell und in großem Umfang zu reagieren, da es reichlich Spielraum für eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben durch eine verantwortungsvolle Finanzpolitik gab und die finanzpolitische Reaktion durch ein sofortiges und entschlossenes Handeln der NBP unterstützt wurde. Der Schlüssel dazu war eine rasche und entschiedene Senkung der Zinssätze und die Durchführung eines Programms zum Ankauf von Vermögenswerten im Rahmen der so genannten strukturellen Offenmarktgeschäfte. Diese Operationen hielten die Liquidität auf dem Anleihemarkt aufrecht und verstärkten die Auswirkungen der Zinssenkungen der NBP auf die Wirtschaft. Sie trugen dazu bei, viele Unternehmen vor dem Konkurs zu bewahren, Arbeitsplätze zu retten und das Ausmaß des BIP-Rückgangs zu begrenzen.
Die relativ milden Auswirkungen der Pandemie auf die polnische Wirtschaft waren jedoch nicht nur den richtigen und entschlossenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu verdanken, sondern auch der Fähigkeit der polnischen Unternehmen, sich rasch an die veränderten Bedingungen anzupassen. Viele polnische Unternehmen nutzten die durch die Pandemie geschaffenen Möglichkeiten und steigerten ihren Absatz im Ausland. Den polnischen Haushaltsgeräteherstellern ist dies zum Beispiel gelungen. Im Jahr 2020 wurde eine Rekordzahl von Geräten produziert, und Polen wurde zum viertgrößten Exporteur von diesen Waren weltweit. Auch die polnischen Hersteller haben von der wachsenden Bedeutung der Elektromobilität profitiert und sind zum größten Exporteur von Batterien für E-Autos und Elektrobusse in der Europäischen Union geworden. Im Jahr 2020 stammte fast jeder zweite, in der der Europäischen Union gekaufte Bus dieses Typs aus Polen. Beispiele dieser Art gibt es zuhauf. Sie lassen uns erkennen, dass wir in den elitären Klub der Volkswirtschaften eingetreten sind, die die Pandemie nicht nur relativ gut überstanden haben, sondern sie auch kreativ zur Steigerung ihres Potenzials genutzt haben.
Einer der Tätigkeitsbereiche der Zentralbank, in dem dieser Fortschritt am deutlichsten sichtbar wird, ist die Verwaltung der Devisenreserven, deren Wert bereits über 140 Milliarden Euro beträgt und sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt hat. Dies ist sehr wichtig, da die Währungsreserven die Zahlungsfähigkeit des polnischen Staates und indirekt auch des Privatsektors sicherstellen. Trotz der ungünstigen Bedingungen und der weltweit sehr niedrigen Zinssätze konnten wir sehr gute Anlageergebnisse erzielen. Zwischen 2016 und 2020 erwirtschaftete die NBP Gewinne, die insgesamt mehr als 32 Milliarden Zloty in den Staatshaushalt einbrachten. Eine der Säulen unserer Anlagestrategie ist die sukzessive Vermehrung der Goldressourcen, die als „sicherer“ Hafen das mit anderen Anlagen verbundene Risiko wirksam diversifiziert. In den Jahren 2018 und 2019 hat die NBP bereits 125 Tonnen Gold gekauft und damit den Goldbestand auf fast 230 Tonnen erhöht, was etwa 8 Prozent unserer offiziellen Währungsreserven entspricht.
Makroökonomische Stabilität und ein großes Reserveportefeuille erwiesen sich als unschätzbar, als wir nur zwei Jahre nach Ausbruch der COVID-19 Pandemie mit einer weiteren Krise konfrontiert wurden – diesmal geopolitisch bedingt. Am 24. Februar 2022 startete Russland einen bewaffneten Angriff auf ukrainisches Territorium und löste damit eine humanitäre, politische und wirtschaftliche Katastrophe aus, deren ganzes Ausmaß noch unbekannt ist. Ein Massenexodus der Zivilbevölkerung, Unterbrechungen der Versorgungsketten, Einschränkungen bei der Versorgung mit Energie und Nahrungsmitteln sowie eine erhöhte Volatilität der Finanzmärkte und ein starker Anstieg der Risikoaversion – das sind nur einige der Phänomene, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.
In den ersten Tagen des Krieges beobachteten viele Polen das Geschehen jenseits unserer Ostgrenze und waren von Ängsten vor der ungewissen Zukunft erfüllt, was sich wiederum in einem starken und schnellen Anstieg der Nachfrage nach Bargeld niederschlug. Glücklicherweise war die Zentralbank dank der von uns verabschiedeten Nationalen Strategie für die Sicherheit des Bargeldumlaufs gut auf diesen Umstand vorbereitet. Damit verfügten wir über ausreichende Bestände, um den Bargeldbedarf der Bankkunden vollständig zu decken. Alle Aufträge der Banken wurden ohne Wertgrenzen und in voller Stückelungsstruktur im ganzen Land ausgeführt, wodurch die Panik schnell unter Kontrolle gebracht werden konnte.
Dank der Politik des sukzessiven Aufbaus von Währungsreserven verfügte die NBP, bei Ausbruch der Krise, über ein angemessenes Reserveniveau und ein geeignetes Instrumentarium, um negativen Entwicklungen an den Finanz- und Devisenmärkten entgegenzuwirken. Insbesondere waren wir jederzeit bereit, auf übermäßige Wechselkursschwankungen des Zloty zu reagieren, die das reibungslose Funktionieren der Devisen- und Finanzmärkte stören oder die Finanzstabilität oder die Wirksamkeit der von der NBP verfolgten Geldpolitik beeinträchtigen könnten.
Die hohen Reserven ermöglichten es uns auch, der Nationalbank der Ukraine auch die USD/Griwna- Swap-Linie in Höhe von bis zu 1 Mrd. USD zur Verfügung zu stellen. Diese Maßnahmen werden das Risiko einer weiteren Destabilisierung der politischen und wirtschaftlichen Lage in der Ukraine verringern und eine mögliche Bedrohung der finanziellen Stabilität Polens abwenden.
Die Krise hat aber nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine dramatische humanitäre Dimension, die unter anderem in der Flucht von Millionen von Menschen vor der Bombardierung durch die russischen Streitkräfte zum Ausdruck kommt. Viele Vertreter des tapferen ukrainischen Volkes haben in Polen Zuflucht gefunden. Diese Menschen kamen oft mit Bargeld in Griwna zu uns, das sie aus der Ukraine mitgenommen hatten und das sie wegen der Schwierigkeiten beim grenzüberschreitenden Geldtransport in Kriegsgebiete nicht einfach in Zloty umtauschen konnten. Doch vom ersten Tag des Krieges an arbeiteten wir in der NBP – zusammen mit unseren Freunden von der Nationalbank der Ukraine – an der Lösung dieses Problems. Es war uns wichtig, dass die heldenhaften Verteidiger der Ukraine wissen, dass wir uns um ihre Familien kümmern. Als Ergebnis dieser Bemühungen unterzeichneten wir eine Vereinbarung mit der Nationalbank der Ukraine, die es jedem erwachsenen ukrainischen Flüchtling ermöglicht, seine Griwna (bis zu 10.000 Griwna) in polnische Zloty umzutauschen.
.Die Hilfe für die Ukraine ist in erster Linie eine moralische Verpflichtung, aber es ist auch eine Verpflichtung, die wir ohne die solide Grundlage der polnischen Wirtschaft und die starke finanzielle Position der Zentralbank, für die wir in den letzten Jahren hart gearbeitet haben, nicht hätten erfüllen können. Diese harte Arbeit und Umsicht haben dazu geführt, dass wir jetzt in der Lage sind, die Kosten für die Kriegsanstrengungen an unserer Ostgrenze zu tragen. Polen ist ein starkes Land und die NBP ist eine starke Bank. Wir wollen Frieden, und deshalb bereiten wir uns, wie die alten Römer uns lehrten, ständig auf den Krieg vor.
Adam Glapiński
Der Text wurde in der monatlichen Meinungszeitschrift „Wszystko co najważniejsze” (Alles, was zählt) und in den Weltmedien im Rahmen des Projekts „Wir erzählen Polen der Welt” veröffentlicht, das in Zusammenarbeit mit der Narodowy Bank Polski (Polnischen Nationalbank, NBP) und dem Institut für Nationales Gedenken durchgeführt wurde.